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BfS verfolgt Lage in der Ukraine

Keine Hinweise auf Freisetzung von radioaktiven Stoffen

Europakarte mit hervorgehobener Ukraine UkraineUkraine Quelle: Benjamin ['O°] Zweig/Stock.adobe.com

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beobachtet die Lage in der Ukraine angesichts des seit 24. Februar 2022 andauernden Krieges intensiv. Die vier ukrainischen Kernkraftwerke (KKW) sind immer wieder von Kampfhandlungen oder dadurch ausgelösten Stromausfällen betroffen.

Insbesondere das größte ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja steht dabei im Mittelpunkt - zuletzt, als es Anfang April 2024 zu Drohnenangriffen an dem Kernkraftwerk gekommen ist. Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder kleinere Zwischenfälle an dem Kernkraftwerk, die aber keine Auswirkungen auf die radiologische Sicherheit hatten.

Messwerte aus der Ukraine wie den Nachbarstaaten liefern keine Hinweise auf eine Freisetzung von radioaktiven Stoffen. Das BfS überprüft täglich etwa 500 bis 600 Messwerte in der gesamten Ukraine und hat eine 24/7-Rufbereitschaft.

BfS teilt die Sorge um sicheren KKW-Betrieb

Das BfS teilt die Sorge um einen dauerhaft sicheren Betrieb der ukrainischen Kernkraftwerke. Auch die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA (International Atomic Energy Agency) hatte mehrfach deswegen Bedenken geäußert.

Nach Einschätzung des BfS stellen die Kampfhandlungen, die Stromversorgung sowie die Arbeitsbedingungen der Angestellten die größten Risikofaktoren dar. Außerdem muss alles dafür getan werden, die Kühlung aller sicherheitsrelevanten Systeme der Kernkraftwerke sicherzustellen. Seit 23. Januar 2023 überwachen Mitarbeitende der IAEA dauerhaft die Lage an allen ukrainischen KKW-Standorten.

Für Deutschland wären die radiologischen Auswirkungen einer Freisetzung in der Ukraine begrenzt. Im schlimmsten Fall, also nur bei einem erheblichen Austritt von Radioaktivität und einer Wetterlage, die Luftmassen von der Ukraine nach Deutschland verfrachtet, könnten hierzulande für die Landwirtschaft festgelegte Radioaktivitäts-Höchstwerte überschritten werden. Dann würde eine Kontrolle von Futter- und Nahrungsmitteln erforderlich werden, gegebenenfalls auch eine Vermarktungssperre für kontaminierte Produkte.

Neuesten Meldungen zufolge hat sich Folgendes ereignet:
Ort / DatumLage
Saporischschja-
09.04.2024

Karte der Ukraine, markiert ist der Standort des KKW Saporischschja Ukraine: KKW SaporischschjaUkraine: KKW Saporischschja

Rund um das Kernkraftwerk Saporischschja kommt es immer wieder zu Kampfhandlungen, bei denen in der Vergangenheit auch Teile der Infrastruktur beschädigt wurden. Anfang April 2024 wurde das Kernkraftwerk Berichten zufolge mit Drohnen angegriffen. Laut IAEA gab es bei einem Angriff geringe Beschädigungen am Gebäude des Reaktorblocks 6. Diese haben jedoch keine Auswirkungen auf die radiologische Sicherheit der Anlage.

Darüber hinaus gibt es immer wieder Berichte über Minen auf dem Gelände. Im Januar 2024 wurden von den Expertinnen und Experten der IAEA erneut Minen zwischen der inneren und äußeren Umzäunung des KKW entdeckt. Bereits im Juli 2023 trug der Fund von Minen in diesem Bereich zur Beunruhigung bei. Diese wurden im November 2023 entfernt.

Für die Kühlung und zur Aufrechterhaltung der Sicherheitssysteme ist die Anlage auf eine funktionierende Stromversorgung angewiesen. Normalerweise ist das Kraftwerk dafür über mehrere Leitungen mit dem Stromnetz verbunden. Zeitweilige Ausfälle der Stromversorgung, die sich seit Beginn des Krieges immer wieder ereignet haben, können mit den dafür vorgesehenen Notstrom-Dieselgeneratoren überbrückt werden. Nach Angaben des ukrainischen Betreibers kann die Stromversorgung damit mehr als 20 Tage lang aufrecht erhalten werden.

Die Beschädigung des Kachowka-Staudamms Anfang Juni 2023 hatte keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Kernkraftwerk, das flussaufwärts am Fluss Dnipro liegt. Zwar bezieht das Kraftwerk Wasser für seine Kühlung aus dem Stausee, der Wasserstand im Kühlteich ist jedoch bis auf Weiteres ausreichend für die Kühlung des Kraftwerks. Zusätzlich stehen Alternativen für die Wasserversorgung zur Verfügung.

Das Kraftwerk Saporischschja steht seit März 2022 unter russischer Kontrolle. Seitdem ist die Zahl der Mitarbeitenden nach Angaben der IAEA auf knapp die Hälfte des ursprünglichen Personals gesunken. Da weiterhin qualifizierte Beschäftigte benötigt werden, fordert die IAEA, den Ausbildungsstand des verbliebenen Personals zu überprüfen.

Seit 11. September 2022 sind alle Reaktoren der Anlage heruntergefahren. Damit nimmt die Nachzerfallswärme der Brennelemente ab, wodurch das Risiko eines radiologischen Unfalls kontinuierlich sinkt. Auch sind kurzlebige radioaktive Stoffe wie beispielsweise Jod-131 inzwischen zerfallen.

Chmelnyzkyj-
01.02.2024

Karte der Ukraine, markiert ist der Standort des KKW Chmelnyzkyj Ukraine: KKW ChmelnyzkyjUkraine: KKW Chmelnyzkyj

Der Abschuss zweier Drohnen in unmittelbarer Nähe des Kernkraftwerks Chmelnyzkyj führte Ende Oktober 2023 zu Beeinträchtigungen auf dem Kraftwerksgelände. Fensterscheiben gingen zu Bruch und die Stromversorgung zweier Strahlenüberwachungsstationen in der Umgebung des Kernkraftwerks wurde vorübergehend unterbrochen. Nach Angaben der IAEA hatte der Zwischenfall aber keine Auswirkungen auf die Sicherheit des Kraftwerkbetriebs.

Im Mai 2023 kursierten Berichte über eine Explosion in einem Munitionslager in der Nähe der Stadt Chmelnyzkyj, in dem angeblich Uranmunition gelagert worden sein soll, sowie minimal erhöhte Radioaktivitäts-Messwerte in der Umgebung und in Polen. Das BfS hat die Informationen geprüft und einen Zusammenhang ausgeschlossen.

Zum einen traten die minimal erhöhten Messwerte in der Umgebung von Chmelnyzkyj erstmals bereits zwei Tage vor dem Explosionsdatum auf, zum anderen befanden sich die entsprechenden Messstationen entgegen der Windrichtung. Für die erhöhten Werte kann es viele Gründe geben, dazu gehören unter anderem Niederschläge, Wartungsarbeiten, Defekte und technische Fehler. Ob in dem Lager überhaupt Uranmunition vorhanden war, gilt als nicht gesichert.

Ende November 2022 wurde das Kernkraftwerk Chmelnyzkyj aufgrund von landesweiten Beeinträchtigungen im Stromnetz ebenso wie die anderen ukrainischen Kernkraftwerke vom Netz getrennt. Die Reaktorblöcke konnten wieder ans Stromnetz angeschlossen werden, allerdings wurde die Leistung der Kraftwerke aus Sicherheitsgründen immer wieder zeitweise gedrosselt.

Süd-Ukraine (Piwdennoukrajinsk)-
24.05.2023

Karte der Ukraine, markiert ist der Standort des KKW Südukraine Ukraine: KKW SüdukraineUkraine: KKW Südukraine

Ende Mai 2023 kam es in einem der drei Reaktorblöcke des Kernkraftwerks Süd-Ukraine nach Angaben der IAEA vorübergehend zu einer Notabschaltung. Grund sei eine Netzstörung oder Instabilität gewesen.

Ende November 2022 wurde das Kernkraftwerk Süd-Ukraine aufgrund von landesweiten Beeinträchtigungen im Stromnetz ebenso wie die anderen ukrainischen Kernkraftwerke vom Netz getrennt. Die Reaktorblöcke konnten wieder ans Stromnetz angeschlossen werden, allerdings wird die Leistung der Reaktoren aus Sicherheitsgründen immer wieder zeitweise gedrosselt.

Riwne-
30.03.2023

Karte der Ukraine, markiert ist der Standort des KKW Riwne Ukraine: KKW RiwneUkraine: KKW Riwne

Ende November 2022 wurde das Kernkraftwerk Riwne aufgrund von landesweiten Beeinträchtigungen im Stromnetz ebenso wie die anderen ukrainischen Kernkraftwerke vom Netz getrennt. Die Reaktorblöcke konnten wieder ans Stromnetz angeschlossen werden, allerdings wurde die Leistung der Kraftwerke aus Sicherheitsgründen immer wieder zeitweise gedrosselt.

Tschornobyl (russ.: Tschernobyl)-
01.02.2024

Karte der Ukraine, markiert ist der Standort des KKW Tschernobyl (außer Betrieb) Ukraine: Tschornobyl (russ.: Tschernobyl)Ukraine: Tschornobyl

Nach der Einnahme und Besetzung des Kernkraftwerks Tschornobyl (russ.: Tschernobyl) durch russische Truppen am 24. Februar 2022 kam es in den ersten Monaten des Krieges rund um die dort befindlichen Anlagen immer wieder zu Zwischenfällen.

Ende März 2022 gaben russische Streitkräfte die Kontrolle über das stillgelegte Kernkraftwerk Tschornobyl an ukrainisches Personal zurück. Russische Truppen haben sich seitdem vollständig aus der Sperrzone zurückgezogen.

Berichte aus dem Frühjahr 2022 über russische Soldaten, die nach ihrem Aufenthalt in Tschornobyl mit Strahlenkrankheits-Symptomen in ein belarussisches Zentrum für Strahlenmedizin gebracht wurden, ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Auf Basis der verfügbaren Informationen und der Kontaminationslage um Tschornobyl ist es aus Sicht des BfS aber unwahrscheinlich, dass die Soldaten eine entsprechend hohe Strahlendosis erhalten haben. Auch die IAEA konnte die Berichte nicht bestätigen.

In den Sommermonaten treten in der Sperrzone rund um das stillgelegte Kernkraftwerk Tschornobyl immer wieder vereinzelt Waldbrände auf. Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass dadurch radioaktive Stoffe aus dem Boden und der Biomasse in die Atmosphäre gelangen und eventuell geringe Spuren davon außerhalb der Sperrzone nachgewiesen werden. Aus der Erfahrung mit früheren Bränden in der Sperrzone ist aber bekannt, dass selbst bei großflächigen Waldbränden keine Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung außerhalb der Sperrzone besteht.

Auf dem Gelände des 1986 havarierten Kernkraftwerks Tschornobyl befindet sich neben den spätestens seit dem Jahr 2000 stillgelegten Reaktorblöcken unter anderem auch eine Einrichtung für die Entsorgung von radioaktivem Abfall. Außerdem lagern dort etwa 20.000 Brennelemente.

Kiew-
30.03.2023

Karte der Ukraine, markiert ist Kiew Ukraine: KiewUkraine: Kiew

Bei Angriffen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew Mitte Januar 2023 ist auch das Gelände des Kyiv Research Institute getroffen worden, das auch einen Forschungsreaktor betreibt. Die Messdaten blieben unauffällig. Der Forschungsreaktor wurde zu Beginn des russischen Angriffskrieges Ende Februar 2022 heruntergefahren.

Charkiw-
09.04.2024

Karte der Ukraine, markiert ist Charkiw Ukraine: CharkiwUkraine: Charkiw

Das Institute of Physics and Technology in Charkiw war mehrfach Ziel russischer Angriffe. Das Forschungszentrum betreibt eine Neutronen-Quelle (die teilweise auch als "Forschungsreaktor" bezeichnet wird) sowie eine Einrichtung für die Produktion von Radioisotopen für medizinische und industrielle Anwendungen.

Im März und April 2024 war die Anlage infolge von Angriffen mehrfach von der externen Stromversorgung abgeschnitten und auf Notstromversorgung durch Dieselaggregate angewiesen. Bereits zuvor wurde sie bei Angriffen stark beschädigt, die IAEA bezeichnete die Schäden nach Abschluss einer Beobachtermission Ende November 2022 als "dramatisch" und "größer als erwartet". Die Neutronen-Quelle war bereits vor Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen außer Betrieb genommen worden. Der Bestand an radioaktivem Inventar ist gering. Hinweise auf eine Freisetzung radiologischer Stoffe gab es nicht.

Ebenfalls in Charkiw befindet sich ein Lager für radioaktive Abfälle der Firma "RADON". Das Lager wurde bei Kampfhandlungen am 26. Februar 2022 getroffen. Es wurden keine radioaktiven Stoffe freigesetzt.

Messeinrichtungen werden regelmäßig überwacht

Mitarbeiter*innen des BfS überprüfen die Daten verschiedener Messeinrichtungen in der Ukraine seit Beginn des Krieges regelmäßig. Dafür stehen verschiedene Messeinrichtungen sowohl vonseiten der Behörden vor Ort als auch der Zivilgesellschaft zur Verfügung. Vor allem in Gebieten, in denen Kampfhandlungen stattgefunden haben, gibt es zwar weniger verfügbare Messdaten. Ein grundsätzlicher Überblick ist aber gegeben. Zusätzlich zu den Messstationen in der Ukraine selbst überprüft das BfS auch Messdaten aus den benachbarten Ländern.

Die BfS-Mitarbeiter*innen sind zudem in engem Austausch mit den internationalen Partnern, darunter auch der IAEA und der Europäischen Union (EU).

In Deutschland misst das BfS mit seinem ODL-Messnetz routinemäßig die natürliche Strahlenbelastung. Würde der gemessene Radioaktivitätspegel an einer Messstelle einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, würde automatisch eine Meldung ausgelöst. Auch die Spurenmessstelle auf dem Schauinsland bei Freiburg wird regelmäßig überwacht, genauso wie die Spurenmessstellen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB).

Potenzielle Auswirkungen auf Deutschland untersucht

Das BfS hat sich bereits in der Vergangenheit mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen bei Freisetzung radioaktiver Stoffe in ukrainischen Kernkraftwerken auf Deutschland zu erwarten wären.

Dazu wurde untersucht, wie sich radioaktive Stoffe verbreiten würden. Demnach bewegten sich über ein Jahr hinweg in der Vergangenheit nur an etwa 60 Tagen im Jahr die Luftmassen nach Deutschland (17 Prozent der Wetterlagen).

Landwirtschaftliche Produktion

Für den Fall, dass radioaktive Stoffe infolge einer Freisetzung in einem ukrainischen Kernkraftwerk nach Deutschland gelangen würden, würden sich die Notfallmaßnahmen voraussichtlich auf die Landwirtschaft und die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte beschränken.

Nach den Berechnungen des BfS ist nicht zu erwarten, dass weitergehende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung notwendig wären.

BfS rät von Einnahme von Jodtabletten ab

In Deutschland sind 189,5 Millionen Jodtabletten in den Bundesländern bevorratet, die bei einem Ereignis, bei dem ein Eintrag von radioaktivem Jod in die Luft zu erwarten ist, in den möglicherweise betroffenen Gebieten durch die Katastrophenschutzbehörden verteilt werden.

Die Einnahme von Jodtabletten schützt ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse, nicht vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe.

Von einer selbstständigen Einnahme von Jodtabletten rät das BfS ab. Eine Selbstmedikation mit hochdosierten Jodtabletten birgt gesundheitliche Risiken insbesondere für ältere Personen, hat aktuell aber keinen Nutzen.

Radioaktives Jod hat eine Halbwertszeit von wenigen Tagen. Das bei dem Reaktorunfall von Tschornobyl (russ.: Tschernobyl) vor über 35 Jahren freigesetzte radioaktive Jod ist mittlerweile vollständig zerfallen und kann deshalb nicht mit dem Wind nach Deutschland transportiert werden.

Redaktioneller Hinweis

Diese Meldung wird vom BfS kontinuierlich aktualisiert. Der aktuelle Stand wird über Datum und Uhrzeit der letzten Aktualisierung ausgewiesen. Aktualisierungen erfolgen insbesondere dann, wenn eine neue Sachlage zur Einschätzung der radiologischen Situation in der Ukraine vorliegt. Geringfügigere Lageveränderungen, die nicht zu einer grundsätzlich neuen Bewertung der radiologischen Lage führen, werden nicht tagesaktuell eingepflegt, sondern in einer gesammelten Aktualisierung aufgenommen.

Stand: 15.04.2024

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